Archiv der Kategorie: Allgemein

atb #15 | Th. Erdelmeier – M. Pernice

Thomas Erdelmeier, Manfred Pernice

Eröffnung: Freitag, 16. Mai 2008, ab 19 Uhr

Ausstellung: 17. Mai bis 28. Juni
Öffnungszeiten: nach telefonischer Vereinbarung
+49 (0)179 947 30 40
vom 23. bis 28. Juni täglich von 13-19 Uhr

Pressemitteilung

Wir erlauben uns, Sie auf unsere aktuelle, nur noch eine Woche laufende Ausstellung mit Arbeiten von Manfred Pernice und Thomas Erdelmeier aufmerksam zu machen.

Manfred Pernice hat speziell für diese Ausstellung zwei mehrteilige Skulpturen gefertigt.
Die erste – Usinger II – besteht aus einer Art Theke, die zu Teilen mit Fotokopien bebildert ist und von zwei gerahmten Fotografien an der Wand flankiert wird.
Das Herzstück der zweiten Arbeit – Kaskeltreff – ist eine s-förmig gestaltete Holzbank, auf der etwa zwei Dutzend lose abgelegte Bücher zum Lesen einladen. Am gegenüberliegenden Kopf der Bank stehen drei Keramikgefäße, gefüllt mit Salzstangen, Chips und Keksen. Zwei Kaffeetassen hängen an Haken an der Seite. Drei würfelförmige Hocker komplettieren diese Werkgruppe.

Auf unterschiedliche Weise beziehen sich beide Arbeiten sowohl auf soziale Kontexte des Ausstellungsortes, als auch auf biografische Aspekte des Künstlers:

Die auf der Theke angebrachten Fotografien in Usinger II verweisen auf zwei Erfolgsgeschichten, die beide in Pernices Heimatort Wehen im Taunus ihren Ausgangspunkt haben. Zum einen lebte ein paar Häuser entfernt von Pernices Familie der Erfinder der „Mainzelmännchen“, Wolf Gerlach – und von hier aus zog um ca. 1870 der junge Fleischergeselle Fred Usinger nach Amerika und schrieb mit seinen bis heute geheimgehaltenen Wurstrezepten eine dieser klassischen Erfolgsgeschichten des „american dream“: die Firma Usinger in Milwaukee erzielt heute Millionenumsätze mit ihrer Wurstproduktion. Beworben werden die „Usinger Sausages“ mit Elfen und Zwergen – hier scheint sich der Kreis zu schließen mit den „Mainzelmännchen“.

Kaskeltreff heißt der Kieztreffpunkt auf der Kaskelstraße, keine 100m von den Galerieräumen entfernt. Hier kommen Kiezbewohner-innen zusammen und tauschen oder leihen sich Bücher bei einem nachbarschaftlichen Plausch mit Kaffee und Kuchen. Pernice greift die Idee des sozialen, nicht-profitorientierten Raumes auf und schafft mit dieser gleichnamigen Werkgruppe eine Möglichkeit, Platz zu nehmen, Kleinigkeiten zu sich zu nehmen und zu lesen.

Mit der fliesenartigen Oberfläche der Arbeiten bezieht sich Pernice auch auf die Geschichte unserer Galerieräume, die in früheren Zeiten ja als Fleischerei genutzt wurden.

Erdelmeiers Zeichnungen bilden dazu inhaltlich einen gewissen Kontrast. Parodiert Pernice Erfolgsgeschichten, beschäftigt sich Erdelmeier seinerseits eher mit Fragen der Erfolgslosigkeit oder des Scheitern: Er befragt unser Verhältnis zu den Mächtigen und dem gegenwärtigen Wirtschaftssystem, zu Religion oder Psychologie nicht ohne auf kritische und zuweilen bösartige Untertöne zu verzichten. Seine Zeichnungen sind organisch wuchernde und überbordende Text-, Bild- und Gedankenakkumulationen. „Wer macht das Geschäft, wer passt sich an, wer rebelliert?“ Klassische Repräsentationsformen werden mißachtet, Fehler bewußt eingebaut.

atb #09 | Beschlagnahmt: R. Heißler

Objekte aus dem Gefängnis
Ein Ausstellungsprojekt von Joachim Baur

Ausstellung: 27. Oktober – 17. November 2007
geöffnet Do, Fr, Sa 15.00 – 19.00 und nach tel. Vereinbarung +49 (0)179 947 30 40

Sonntag, 28.10.2007, 18.00 Diskussion mit Rolf Heißler
Donnerstag 1.11.2007, 19.00 Werkstattgespräch mit Kurator Joachim Baur
(in Kooperation mit Schnittpunkt Berlin – Ausstellungstheorie & Praxis)


Rolf Heißler war Mitglied der RAF. In den 22 Jahren seiner Haft von 1979-2001 wurde seine Post überwacht, knapp 2000 Sendungen wurden beschlagnahmt. Anhand ausgewählter Objekte thematisiert die Ausstellung den Kampf um Kontrolle, die Versuche der Kommunikation sowie verschiedene Dimensionen der Projektion unter den Bedingungen der Isolation. Sie wirft damit einen anderen Blick auf die lange Geschichte der Konfrontation von RAF, Staat und politischer Bewegung.

Eine rote Plastiknelke, getrocknete Orangenschalen, zahllose Flugblätter, Muscheln und Trockenblumen, Wunderkerzen, Zeitungsartikel, Plakate, Postkarten, Wollsocken, ein selbst gemaltes Kinderbild, Lavendel. Es sind die unterschiedlichsten Dinge, die Rolf Heißler in den 22 Jahren Haft von 1979-2001 ins Gefängnis geschickt wurden – gemeinsam ist ihnen, dass sie beschlagnahmt wurden. Vieles davon erscheint zunächst unscheinbar. Bei etlichen Sachen stellt sich gleichermaßen die Frage, warum sie geschickt und warum sie „angehalten“ wurden.

Auf den zweiten Blick entdecken sich in den Dingen jedoch die Bedingungen der Isolationshaft ebenso wie die Versuche, sie zu durchbrechen. Die Objekte sind Sedimente der Haftbestimmungen und sichtbare Zeugen eines panoptischen Gefängnisregimes, das auf der Ausgrenzung sinnlicher Wahrnehmung basiert. Sie stehen für die hartnäckigen Versuche, Beziehungen und Kommunikation aufzubauen zwischen „draußen“ und „drinnen“. Sie offenbaren vielfältige Formen der Projektion, etwa des Staates von der Gefährlichkeit banalster Objekte oder der BriefschreiberInnen von den Bedürfnissen des Gefangenen. Gleichsam alltäglich veranschaulichen sie ein jahrelanges, ständiges Ringen um Kontrolle – der Gefängnisleitung über „Sicherheit und Ordnung des Vollzugs“, des Gefangenen über sein Leben. Denn auch die Subjekt-Position Heißlers als aktiver Teil der Auseinandersetzung ist im Zusammenhang mit den Dingen erfahrbar. Zahllose Beschwerdebriefe und ein Ordner, in dem Heißler sämtliche Beschlagnahmen notiert und kommentiert hat, demonstrieren seine Strategie einer „Kontrolle der Kontrolle“.

Schließlich erscheinen in diesen „angehaltenen“ Postsendungen – wie in einem mehrfach gebrochenen Spiegel – die sozialen und politischen Bewegungen der 80er und 90er Jahre mit ihren Themen, Diskussionen und Konjunkturen: internationale Solidaritätsbewegung, Hausbesetzer, Antifa, Anti-Kriegs- und Frauenbewegung, Proteste gegen Volkszählung und soziale Ungleichheit. Die Objekte entfalten so auf ungewohntem Terrain eine komplexe „Dreiecksbeziehung“ zwischen Staat, Bewegung und Gefangenem aus der RAF.

atb #07 | Pinxit

Charlotte Cullinan + Jeannine Richards, artlab London – ,PINXIT‘

Eröffnung 15. Juni ab 19 Uhr, Ausstellung 16. Juni – 7. Juli 2007
geöffnet Freitag und Samstag von 15-19 Uhr oder n. V.

PINXIT

Wir hofften, wir könnten etwas Positives über diese Ausstellung sagen – und wir können es.
Je mehr wir über ,PINXIT‘ von Cullinan+Richards nachdenken, desto mehr wächst unser Bedürfnis etwas von Wert aus ihrem Missgeschick zu retten, angetrieben durch Vertrautheit, scharfes Nachdenken und formale Travestie.

In seinem Versuch, sich an hoch komplexen intellektuellen und exzentrischen Diskussionen zu beteiligen öffnet ,PINXIT‘ riesige Abgründe zwischen der trüben Aktualität der ausgestellten Objekte und den arroganten und fragwürdigen theoretischen Behauptungen, die von den Künstlern aufgestellt werden.
Cullinan+Richards entwickeln ein ,fortgesetztes Werk, das sich um eine imaginierte Geschichte dieser Objekte‘ dreht und das ,Duplizität, Verdoppelung, Verrat und Sehnsucht‘ untersucht.

PINXIT besteht aus einem Schriftzug aus Neon-Leuchten, die ein grelles orangenes Licht abgeben mit dem Text ,Et Tu‘, fünf Gemälden eines männlichen Torsos und einem Film. Die Diskrepanz zwischen den Objekten und den begleitenden Behauptungen scheint hier als ein Versuch verwandt worden zu sein, eine Beziehung zwischen dem Betrachter und den Künstlerinnen herzustellen. Die Arbeit Neon Window (2007), die auf das Schaufenster geklebt wird, buchstabiert die Worte ,Et Tu‘; könnte sich dies auf die Tatsache beziehen, dass die Gemälde bereits 1973 von jemand anderem gemalt und der Film in Amerika in den 1920-iger Jahren gedreht wurden und es sich daher um eine Form von Verrat am Vertrauen der Betrachter handelt?

PINXIT zeigt, dass Cullinan+Richards in der Lage sind, die Tragödien künstlerischen Extremismus‘ zu kommunizieren. Vielleicht ist es die sorgfältig zusammengestellte Kombination einer besonderen Situation vor Ort (ein ehemaliger Fleischerladen in Berlin, der ein von Künstlern organisierter Ausstellungsraum wurde) und dieser Objekte, welche uns veranlasst zu glauben, dass Cullinan+Richards es mit Sicherheit weit bringen werden.

Henry Challenger und Daniel Fuchs, London-Berlin, 2007


Cullinan+Richards gründeten 2006 die ,Savage School Window Gallery‘ für Text-Arbeiten, im Londoner Eastend, Vyner Street No.7. Eingeladen wurden bisher die Künstler-innen: Clunie Reid, Volker Eichelmann, Jeffery Charles Gallery with Henry Peacock, Fillip Magazine, Tom Morton

Einzelausstellungen (Auswahl): The Dummy Project, Stanley Picker Gallery, London, 2007; Headquarters, Daniel Spoerri Foundation, Italy, 2006; Retrospettiva, Pari & Dispari Project, Italy, 2006; Retrospektyva IBID Projects, Vilnius, Lithuania, 2005. Independent Republic, M.O.T. Gallery, London, 2005
Gruppenausstellungen (Auswahl): Whitstable Biennale, 2006; Leaps of Faith, Cyprus, 2005; Documentary Creations, Kunstmuseum, Luzern Switzerland, 2005; Britannia Works, Athens, 2004; Ambulantes, Museum of Contemporary Art, Seville, 2004; Values, 11thBiennale of Visual Art, Pancevo, Serbia, 2004; Edge of the Real, Whitechapel Gallery, 2004

atb #06 | Schatten deiner selbst

Megan Sullivan und Axel John Wieder
Eröffnung, Freitag, 27. April ab 19 Uhr

Ausstellung: 28. April – 19. Mai 2007
geöffnet Freitag und Samstag 15-19 Uhr oder nach Vereinbarung

Das Schattenbild von einem Menschen, oder eines menschlichen Gesichts, ist das schwächste, das leerste, aber zugleich, wenn das Licht in gehöriger Entfernung gestanden, wenn das Licht auf eine reine Fläche gefallen – mit dieser Fläche parallel gewesen – das wahrste und getreuste Bild, das man von einem Mensch geben kann; das schwächste, denn es ist nichts Positives, es ist nur etwas Negatives.“

(Johann Caspar Lavater, zit. nach Victor Stoichita: „Eine kurze Geschichte des Schattens“)

after the butcher – Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst – freut sich, SCHATTEN DEINER SELBST, die erste gemeinsam entwickelte Ausstellung und Installation von Megan Sullivan und Axel John Wieder zeigen zu können.

Seit Plinius bilden Schatten ein grundlegendes Modell der Repräsentation und dienten, etwa in den von Lavater entworfenen Zeichenapparaten, zur populären Bildgebung. Vom Schatten erwartete man eine besondere Genauigkeit, gleichzeitig galt das Schattenbild als Kopie einer Kopie, als falsches Leben aus zweiter Hand. Im Unterschied zu anderen Bildern ist der Schatten gemeinhin jedoch unmittelbar an den menschlichen Körper gebunden. Häufig ist es gerade der Schatten, der etwas an den Tag bringt – er verrät denjenigen, der um die Ecke steht oder hinter der Kamera, aber vor dem Licht.

Die Ausstellung von Megan Sullivan und Axel John Wieder nutzt die Figur des Schattens zur Reflexion der Verhältnisse von Subjektivität und Bildhaftigkeit. Die Installation umfasst Zeichnungen, einen Nachbau eines Silhouettierstuhls, Texte und Collagen, die ihrerseits so beleuchtet sind, dass sich die einzelnen Elemente jeweils verschatten und überlagern.

Megan Sullivan wurde in Stamford, Connecticut, USA geboren.
Axel John Wieder ist Mitbegründer der thematischen Buchhandlung Pro qm und leitet seit 2007 das Künstlerhaus Stuttgart.