Archiv der Kategorie: Allgemein

ATB #85 | Cracks and Reforms and bursts in the Violet Air

Shannon Bool, Anton Bo Matzke, Kim Hankyul

Ausstellung: 19. Juni -15. August 2021

Cracks and Reforms and Bursts in the Violet Air präsentiert eine Konstellation von Kunstwerken von Shannon Bool, Kim Hankyul und Anton Bo Matzke, die über den Status der künstlerischen Produktion innerhalb breiterer Felder sozialer Beziehungen meditieren. Der Titel der Ausstellung entlehnt eine Zeile aus T.S. Eliots The Waste Land (1922), einem einflussreichen, frühmodernen Gedicht, das zahlreiche Bilder und Textzeilen aus anderen Quellen verwendet, um eine Nachkriegslandschaft eher durch Affekte, Perspektivwechsel und fragmentierte Erzählstrukturen als durch eine sachliche Schilderung zu beschreiben. Die Anspielung ist passend, wenn man das aktuelle Gefühl der Unsicherheit in Folge der Pandemie bedenkt, sowie eine allgemeine Desillusionierung über das Leben unter dem nunmehr über dreissig Jahren anhaltenden Neoliberalismus und seinem sozialen und wirtschaftlichen Versagen. Die Künstler:innen haben die Situation genutzt, um eine Reihe von Kunstwerken zu produzieren, die Materialien umfunktionieren und umverteilen und dadurch die Systeme zur Bewertung des alltäglichen Lebens befragen.

Shannon Bool’s großformatiger Wandteppich, Crimes of the Future, eignet sich eine dokumentarische Fotografie einer Ausstellung im Yves Saint Laurent Museum in Paris an. Die Arbeit schlägt ein völliges Überdenken der Materialität von Bildern vor, indem sie die symbolische Sprache der Fotografie als künstlerisches Medium perforiert und sprengt. Das Raster der Pixel, aus denen das digitale Bild besteht, wird technisch in ein Jacquard- Webmuster übersetzt – die Auflösung wird dabei unscharf. Schaufensterpuppen werden ausgeblendet und durch collagierte Bilder signifikanter brutalistischer Gebäude ersetzt – ein Echo auf die digitale, systemische Kontrolle von Informationen. Neben einer „digitalen“ Sensibilität im Kunstwerk gibt es auch eine „analoge“: Die Darstellung des weiblichen Körpers wird als Projektionsfläche und Chiffre eines konsumistischen Blicks enthüllt. Bool greift auf die generischen Scherenschnitte zurück, um Fragmente spezifischer, hochmoderner Behausungen religiöser Kultur wie die Wotrubakirche in Wien von Fritz Wotruba, die Nevigeser Kirche in Düsseldorf von Gottfried Böhm oder das Zweite Goetheanum in Dornach von Rudolf Steiner zu präsentieren. Der moderne Mythos vom sakralen Wert der Lesbarkeit des Zwecks, der durch die Ausgewogenheit von Design und Materialwahl erreicht wird, wird von Bool auf den Kopf gestellt und enthüllt eine ganze Hierarchie versteckter bürgerlicher Werte, die letztlich darauf ausgelegt sind, das Begehren sowie die Bewegungen und die Arbeit der menschlichen Körper zu verwalten.

Kim Hankyuls Serpent (2016) und Bird (2019) sind zwei seiner früheren kinetischen und akustischen Skulpturen, die gewöhnliche Werkzeuge und Materialien umfunktionieren, um als Substrat für eine neue Bedeutung zu dienen. Die Arbeiten führen absurde und doch alltägliche Bewegungen und Aufgaben aus, die im mimetischen Sinne entweder exzessiv oder unzureichend sind und die Lücke zwischen Zeichen und Bezeichnetem weiter ausnutzen. Serpent bewegt sich exzessiv, die Wirkung des sich windenden und wild zischenden Kanals ist manisch und gespenstisch – man ist Zeuge eines Aufwands, der von einer Steckdose ausgeht und irgendwo in der Vorstellung endet. Bird zeigt zwei Seiten eines Buchs, die von einer Armatur gehalten und durch eine Bohrmaschine so angetrieben werden, dass man den sanften Flügelschlag erkennen kann. Das Buch wird – zwei seiner Seiten – werden transformiert vom kognitiven Wissensbehälter zu einem Objekt poetischer Reflexion über den Traum vom Fliegen. Insofern weckt die Skulptur tangential auch Klassenassoziationen – Wissen ist Macht. Genau hier liegt der Schlüssel zu ihrer Magie: Den Betrachter:innen bleibt es überlassen, die Wirkung der Arbeiten zu beurteilen, und doch werden sie immer wieder auf die mechanische Sklaverei ihrer Performance zurückgeworfen. In meinen Augen stellen die kinetischen Skulpturen kritische Fragen in Bezug auf die Arbeit der Arbeiterklasse und ihre Beziehung zur zeitgenössischen Kunstproduktion – ist Arbeit unansehnlich? Ist sie zu schweißtreibend? Strebt sie zu sehr nach Ausdruck, nach Bedeutung? In diesem Sinne sind die Arbeiten humorvoll und in ihrer Unbeschwertheit sehr effektiv.

Anton Bo Matzkes Melde (2021) und Hom(e)age (to stonemason Ekhof Platz) (2018) sind Skulpturen, die ihre Qualitäten symbolisch und materiell aus der Umgebung des Ausstellungsraums beziehen; sie scheinen dem Ort, an dem sie präsentiert werden, zu entspringen. Es sind stille Objekte, die die Vergänglichkeit des Lebens zum Ausdruck bringen – vergleichbar der Stilllebenmalerei. Melde ist eine Tonskulptur, die in ihrer Form an zeitgenössische Architektur erinnert. In den rohen Ton hat der Künstler ruderale Samen eingepflanzt, die er auf einer Brachfläche in der Victoriastadt, unweit von after the butcher gesammelt hat. Die Skulptur wird im Laufe der Ausstellung durch das Wachstum der Vegetation animiert – sie führt sozusagen ein Eigenleben; die Samen und ihre Wurzeln werden ihre Form langsam aufsprengen und möglicherweise zum Einsturz bringen, work in progress. Hom(e)age (to stonemason Ekhof Platz), ist eine Skulptur in Form einer Stehlampe, deren Sockel aus gegossenem Beton und einem meterlangem Amiereisenstab bestehen und ebenfalls Baumaterialien darstellen, die oft auf verfallenen Grundstücken entsorgt werden. Das ungewöhnliche Element ist ein marmorner Lampenschirm auf dem Armierungseisen, der alt und zerknittert aussieht, man riecht förmlich den Zigarettenrauch darauf. Die Arbeiten von Matzke zeugen von einer Sensibilität die frei und offen ist für Improvisationen mit den vorgefundenen Materialien und was sie ansprechen, sind Fragen der Gentrifizierung, Klasse und Stadterneuerung – im Guten wie im Schlechten.

Text von Maxwell Stephens

gefördert durch:

atb #84 | random access memories

Klasse Asta Gröting

RANDOM ACCESS MEMORIES

Andreas Baumgartner, Laura Dechenaud, Jan-Louis Gens, Leonardo Grüning, Pauline Hömmen, Juhi Hong, Gregor Kieseritzky, Charlotte Kremberg, Luis Kürschner, Johannes Möller, Jeroen Laessig, Sophie Pape, Lucila Pacheco Dehne, Camilla Schiegnitz, Stefan Schramm, Julika Teubert, Simiao Yu, Yuan Yuan, Hye Yun 

Ausstellung: 7. Mai 2021- 13. Juni 2021

after the butcher, ausstellungsraum für zeitgenössische kunst und soziale fragen freut sich, zum Besuch der Ausstellung random access memories mit Studierenden der Klasse Gröting der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig einzuladen.

Wenn wir träumen, sind wir an einem Ort, der neben unserer Realität zu existieren scheint. Es eröffnet sich uns ein zuvor verborgenes Sammelsurium von unbewussten Eindrücken, Ängsten und Wünschen. Für die Surrealist:innen war die im Schlaf erlebte Realität nicht weniger wichtig als der Wachzustand. So schrieb André Breton in seinem Manifest des Surrealismus aus dem Jahr 1920: 

„(…) warum sollte ich dem Traum nicht zugestehen, was ich zuweilen der Wirklichkeit verweigere, jenen Wert der eigenen Gewißheit nämlich, der während der Traumspanne ganz und gar nicht von mir geleugnet wird?…“. 

Zumindest dieser im Traum direkt erlebten Wirkung kann sich wohl kaum jemand entziehen. Trotzdem oder gerade deshalb fällt es uns häufig schwer, die Grenze zwischen Traum und Realität zu ziehen und zu begreifen. Besonders auffällig ist dies bei Utopien und Tagträumen, die häufig von Wünschen und Idealen sprechen, die für uns gar nicht erreichbar scheinen. 

In der Ausstellung random access memories fragt sich die Klasse Gröting, wie die Realität Einfluss auf unsere Träume nehmen kann oder die Träume vielmehr unsere Realität beeinflussen. „Wir haben uns seit Januar eigentlich jede Woche Montag getroffen, um einen gemeinsamen Prozess zu etablieren. Eine Kontinuität war besonders wichtig, weil wir uns nicht in echt treffen konnten. Wir versuchen ja immer alles demokratisch und auf einer horizontalen Hierarchieebene zu gestalten und zu entscheiden. Das verlangsamt zwar den Prozess, ist aber wichtig für unseren Klassenzusammenhalt.
Wir gehen dabei so vor, dass wir schauen welche Themen uns zur Zeit interessieren und begeistern und uns alle auf eine Art und Weise verbinden. Wir entschieden uns für das Thema Träume weil wir es als schöne Option sehen, Persönliches und Gesellschaftliches miteinander zu verbinden.
Um das Konzept zusammen zu entwickeln, haben wir damit angefangen Traum-Experimente zu machen. Wir haben uns jede Woche eine neue Aufgabe gestellt, um zu schauen, ob wir gemeinsam unsere Träume beeinflussen können. Wir haben z.B. alle eine Woche lang den selben Song vor dem Schlafengehen gehört, um zu schauen, was passiert. Eine andere Woche haben wir als letzte Handlung vor dem Schlafen einen Auszug vom Manifest des Surrealismus von André Breton, in dem es auch um Träume geht, gelesen. Wir haben unseren Tagesablauf notiert und aktiv versucht, unsere Tagträume zu kontrollieren. Über diese Experimente sind wir ins Gespräch miteinander gekommen, was Träumen bedeutet und wie wir Träumen.
Seltsam war bei dem Prozess, dass es eigentlich ein sehr persönliches und individuelles Thema ist, aber die Onlinekonferenz natürlich eine gewisse Distanz mit reinbringen. Das Zusammensitzen und zusammen ausbrüten in unserem Atelier hat schon sehr gefehlt! Glaube aber trotzdem, dass die Ausstellung in dieser Zeit genau das Richtige war, um wieder gemeinsam an etwas zu arbeiten und etwas konkreteres zu planen und um ins Gespräch zu kommen. Denke es war und ist immer noch sehr gut und wichtig für die Klasse und ihren Entwicklungsprozess, dass es diesen gemeinsamen „Punkt“ der Ausstellung gibt, das Zusammenbringen der Arbeiten. Vielleicht wird sie der Schlüssel dafür sein wenn wir später einmal auf diese spezielle, auch schwierige Zeitspanne der Pandemie zurückblicken, dass wir uns dennoch auch an etwas schönes erinnern können, was wir zusammen erarbeitet und erlebt haben…“ aus der Kommunikation zwischen Studierenden und Asta Gröting.

gefördert durch:

atb #83 | Learning to Dwell otherwise within the ruins

Vermeir & Heiremans, Julia Cremers & PARALLAX Lab

Pressemitteilung

Learning to dwell otherwise within the ruins

Vermeir & Heiremans, Julia Cremers & PARALLAX Lab

Ausstellung: 19. März 2021 – 25. April 2021

after the butcher freut sich, in der kommenden Ausstellung zwei Künstler*innenpositionen zu zeigen, deren Arbeit sich mit Gebäuden, Ruinen und Fragen ihrer Wertschöpfung auseinandersetzt. Gleichzeitig nähern sich beide Positionen dem weiten Feld der Spekulation und fordern neue Handlungsräume dagegen ein.

Das Künstlerduo Vermeir & Heiremans zeigt den Kurzfilm A Modest Proposal (in a Black Box). Der Film untersucht, ob „Finanzialisierung“ zu einem Werkzeug für die Schaffung gerechterer Verhältnisse umgewidmet werden kann. Die Künstlerinnen schlagen ein Modell vor zur Finanzialisiserung öffentlicher Kunstsammlungen, Museumsimmobilien und/oder deren symbolisches Kapital. Dieses Modell soll einen Kreislauf des Wohlstands erzeugen, von dem nicht nur Investoren und Institutionen profitieren, sondern auch die Schöpferinnen dieser Werte, die ursprünglichen Teilhaberinnen – die Künstlerinnen und Kunstschaffenden.

Im Film diskutieren Vermeir & Heiremans die Finanzialisierung der Pump House Gallery im Battersea Park in London als Fallbeispiel mit ihrem Anwalt. Die Galerie befindet sich in der Nähe der Battersea Power Station, einem ehemaligen Kohlekraftwerk aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, das nach 40 Jahren Leerstand derzeit unter Beteiligung von „Starchitekten“ wie Frank Gehry und Foster & Partners zu einem Luxus-Einkaufszentrum samt Luxus-Appartements umgebaut wird. Die steigenden Immobilienwerte in der Nachbarschaft werden den Vermögenswert des Galeriegebäudes in die Höhe „pumpen“. Bezieht man dies in das globale Finanzmodell der Künstler ein, würden Mehrwerte für die breitere Kunstgemeinschaft ausgeschüttet.
Was davon ist ironische Kritik und was Sehnsucht nach Teilhabe? In jedem Fall legen die Künstler*innen die erzeugten sozialen Spannungen und Widersprüche zwischen Spekulation und Profitmaximierung und Grundbedürfnissen nach Wohnraum offen.

Julia Cremers und PARALLAX zeigen ihre kollektiven Video- und 3D-Arbeiten Ruin Figments and Reconstructed Memories (Fantasierte Ruinen und Rekonstruierte Erinnerungen). Im Zentrum beider Arbeiten steht eine Architekturanlage im Wiener Schlosspark Schönbrunn aus dem Jahr 1778, die die Überreste nach der römischen Belagerung von Karthago 146 v. Chr. darstellt.
Diese künstliche Ruine, die zur Mode der Landschaftsgestaltung im 18. Jahrhundert passte, sollte die Macht der Habsburger Monarchie manifestieren und deren imperiales Streben über die Identifikation mit dem siegreichen Römischen Reich legitimieren: Spekulation auf kulturelles Kapital.

Die Arbeit von PARALLAX ist eine Fortführung dieser Reimaginationsprozesse in die Gegenwart hinein. Das virtuelle Pendant der Ruine wird mit fotogrammetrischen Methoden extrahiert, anschließend verzerrt und rematerialisiert. Die daraus resultierende 3D-gedruckte Skulptur macht auf implizite Veränderungen jeder Reproduktionsphase aufmerksam und hinterfragt so die kulturellen Auswirkungen des imperialen Zusammenbruchs und dessen Aneignungsversuche durch neue Machtstrukturen. Der Videoessay ist eine weitere Enthüllung dieses vielschichtigen Gebildes und legt die materiellen Ressourcen und menschlichen Anstrengungen offen, die für die Konstruktion von (virtuellen) Räumen erforderlich sind.

Ein drittes visuelles Element sind die Fotografien unter dem Titel Ruins von Julia Cremers, die militärische Befestigungsanlagen aus der Zeit des Nazi-Faschismus und der deutschen Besatzung in Bergen/Norwegen zeigen. Heute dienen sie als Kulisse für Raves. Die Umwidmung dieser historisch belasteten Orte für Veranstaltungen und Feiern kann als problematisch und befreiend zugleich betrachtet werden. Sie stellt eine Form der Wiederaneignung historisch aufgeladener Räume dar, die mit neuen Erzählungen und kultureller Bedeutung überlagert werden und so die Geschichte weiterschreiben.

A Modest Proposal (in a Black Box) wird von einer Publikation begleitet, die eine Reihe von Aufsätzen eines Symposiums zusammenfasst, das 2018 von Vermeir & Heiremans am Royal College of Art, London organisiert wurde.

Filmnachweis:

HD Video, 28′ 7″, Ton & Farbe, UK-Belgien, 2018
mit Luke Mason, Heike Langsdorf, Vermeir & Heiremans
Kamera: Amir Borenstein
Ton: Justin Bennett

Produktion: Jubilee vzw, mit Unterstützung von: Die Flämische Gemeinschaft; Art et Recherche asbl; Federation Wallonie-Bruxelles; Pump House Gallery; Wandsworth Council; Enable Leisure and Culture; Art Council England; Cockayne-Grants for the Arts; The London Community Foundation

Ruin Figments and Reconstructed Memories, Video-Essay und 3D-gedruckte Skulptur 

Filmnachweis: 
HD Video, Ton & Farbe, Deutschland-Österreich, 2021
Kamera: Lena Kocutar, Daniel Viladrich Herrmannsdoerfer, Julia Cremers
Ton und Schnitt: Julia Cremers
Research: Lena Kocutar, Daniel Viladrich Herrmannsdoerfer, Polina Nikoulitcheva, Julia Cremers

Vermeir & Heiremans präsentierten Arbeiten bei: 10. und 13. Istanbul Biennale (2007 & 2013), Arnolfini, Bristol (2009), Nam June Paik Art Center, Yongin (2010), Viennale, Wien (2011), 7. Shenzhen Sculpture Biennial (2012), Manifesta 9, Limburg (2012), Argos, Brüssel (2012), Extra City, Antwerpen (2012), Riga Art Space (2013), Rotwand Gallery, Zürich (2014), Triennale Brugge (2015), Dojima River Biennale, Osaka (2015), Galerie Georg Kargl, Wien (2015), Transmediale, Berlin (2016), Bucharest Biennale 7 (2016), Glassyard Gallery, Budapest (2018), The Atlantic Project, Plymouth (2018), Pump House Gallery, London (2018), Carico Massimo, Livorno (2019), Kunsten Museum of Modern Art, Aalborg (2020).

Julia Cremers absolvierte 2016 in Audiovisueller Kunst an der Gerrit Rietveld Academy Amsterdam (Bachelor) und 2018 in Bildender Kunst an der University of Bergen Faculty of Fine Art (Master). Sie präsentierte Arbeiten bei: Dutch Design Week Eindhoven (2014), Van Nelle Fabrik Rotterdam (2015), Gallerie Bart Amsterdam (2016), Eye Film Museum (2016), Bergen Kunsthall (2018), Deichtorhallen Hamburg (2019), Errant Sound (2020), Alte Feuerwache Köln (2020), Berlin School Of Sound (2021). Cremers ist seit September 2020 Mitglied bei Errant Sound.

PARALLAX Lab, Ruin Figments and Reconstructed Memories ist ein Gemeinschaftsprojekt initiiert von der Künstlerin Julia Cremers mit den Studierenden Daniel Viladrich Herrmannsdoerfer (Technomathematik, TU), Polina Nikoulitcheva (Architektur, TU) und Lena Kocutar (Lensbased Class UdK). Produziert im Rahmen von PARALLAX Lab, einer Initiative der Universität der Künste Berlin und der Technischen Universität Berlin. Mit der Unterstützung von FormLabs Berlin.

gefördert durch:

ATB #82 | Stadt und Knete. Positionen der 1990er Jahre

Künstler*innen: A-Clip, Gruppe Gummi K / MicroStudio Surplus (Alice Creischer, Martin Ebner, Christoph Keller, Ariane Müller, Andreas Siekmann, Nicolas Siepen, Josef Strau, Klaus Weber, Amelie von Wulffen), Jaaaa & Protzband Nicolas Siepen, Siegfried Koepf & Martin Ebner & Gunter Reski, Josef Kramhöller, NEID, Annette Wehrmann, Ina Wudtke, Amelie von Wulffen u.a.

Donnerstag 18. Februar, 19 Uhr laden KW Institute for Contemporary Art, Berlin und after the butcher zu einem Onlinegespräch über die Ausstellung ein. Es sprechen: Annette Maechtel, Thomas Kilpper, Ina Wudtke und Kathrin Bentele.

Zum Videorundgang Stadt und Knete

Produktion eines A-Clips, 1997, Foto: Katja Eydel

Ausstellung: 20. November 2020 – 7. März 2021

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Geöffnet Sa & So: 15-19 Uhr und nach Vereinbarung. Um Anmeldung wird gebeten: after-the-butcher oder +49 (0)178 32 981 06
In den Ausstellungsräumen bitte die Abstandsregeln einhalten und eine Behelfsmaske tragen.

after the butcher zeigt aus Anlass einer zeitgleich in den KW Institute for Contemporary Art stattfindenden Ausstellung von Amelie von Wulffen Stadt und Knete. Positionen der 1990er Jahre. Herz der Ausstellung – eine Kollaboration mit den KW Institute for Contemporary Art, Berlin – sind vier kollektiv produzierte Knetgummi Animationen: Infobox (1996), Wie eins zum anderen kam (1996) und Die krumme Pranke und Egoland (beide 1997). Das Video Infobox von der Berliner Künstler*innengruppe Jaaaa & Protzband Nicolas Siepen, Siegfried Koepf & Martin Ebner & Gunter Reski, MicroStudio Surplus kommentiert die Entwicklung des Potsdamer Platzes. Die Arbeit kreist dabei auch um den sogenannten „Infobox“-Pavillion, der von 1995-2001 auf dem Leipziger Platz stand.

1996 produzierten die Künstler*innen der Gruppe Gummi K / MicroStudio surplus das Video Wie eins zum anderen kam. Eine bissig-ironische Kritik auf die von Klaus Biesenbach und Nicolaus Schaffhausen kuratierte Großausstellung Nach Weimar im Neuen Museum Weimar. Besonders im Fokus steht dabei die bauliche Verbindung des Neuen Museums mit dem Gebäude des Gauforums aus der Zeit des Nationalsozialismus und die damit einhergehende Legitimierung faschistischer Architektur als Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst.

Der 30-minütige Film Die krumme Pranke von Alice Creischer, Andreas Siekmann, Josef Strau und Amelie von Wulffen folgt dem Strickmuster eines klassischen Derrick-Krimis. Die Bildsprache dieses Berliner Großstadtkrimis wechselt dabei zwischen dokumentarischen Stadtaufnahmen und fiktiven Knetgummianimationen. Die Innenpolitik und die Baugruben der 1990er Jahre sind Thema dieser Montage, in denen die Künstler*innen sich zwischen Kunstpraxis und politischem Aktivismus bewegen.

Egoland von 1997, ist ein 55-sekündiger Kinospot der Serie A-Clip. Kollektiv produziert wurden die politischen Botschaften der A-Clips zuerst von verschiedenen Vorführern in Berlin zwischen den Werbeblöcken im Kino vor dem Hauptfilm eingeschleust.

Die Innenstadtaktionen waren Aktionstage, die 1997 und 1998 in mehreren Städten in Deutschland und in der Schweiz stattfanden und von politischen Aktivist*innen aus dem Kunstkontext maßgeblich mitinitiiert wurden. Katja Eydel hat damals als Beteiligte einige Aktionen in Berlin fotografisch dokumentiert und Ina Wudtke hat jetzt diese Fotos mit Interviewauszügen von ehemals involvierten Künstler*innen für diese Ausstellung zu dem Video Kollektive Erinnerungen montiert. Die Arbeit gibt Einblick in das politische Umfeld und ist ein wichtiges Segment der damaligen Kunstproduktion in Berlin.

Die Hamburger Künstlerin Annette Wehrmann (1961-2010) arbeitete an einem langjährigen Projekt zum städtischen Raum mit dem Titel Ort des Gegen. An dessen Anfang stehen Überlegungen dazu, dass die Qualität einer Stadt davon abhängt, wie viele unbebaute, sich selbst überlassene Flächen es gibt. Der Ort des Gegen kann “unter kapitalistischen Bedingungen […] die Form umfassender Verwertungsverweigerung“ annehmen. Hier ist er die „Rückseite der Utopie“, „der Ort an dem der Müll liegen bleibt“ (aus einem Konzeptpapier Ort des Gegen von Annette Wehrmann, 2002). Fünf Gouachen der Serie sind Teil der Ausstellung sowie eine Schaumstoffskulptur mit dem Titel „Nein“.

Das Künstler*innenmagazin NEID (1992-2004) veröffentlichte als eine der Ersten die Luftschlangentexte von Annette Wehrmann und dokumentierte Teile der Berliner Innenstadtaktionen. Die Ausgaben NEID #4 und NEID #7 sind daher Teil der Ausstellung.

Stadt und Knete zeigt auch eine Fotoserie von Fingerabdrücken auf Schaufenstern von Luxusgeschäften aus dem Jahr 1995 von Josef Kramhöller (1968-2000).

Von Amelie von Wulffen werden neben ihren kollektiven Videoarbeiten, drei Fotocollagen von Gebäuden in Ostberlin, die ihre Begeisterung für die sowjetische Moderne spiegeln und die noch erhaltenen Teile einer Schaufensterinstallation von 1996 gezeigt. Die Sperrholzfiguren der Schaufensterinstallation bilden gefundene und erfunden Logos von Handwerksfirmen ab.

Foto- und Videodokumentation: Ines Lechleitner

Über die Künstler*innen:
A-Clip, sind politische Kinospots, die von Künstler*innen und Aktivist*innen 1997 und 2000 kollektiv produziert wurden.

Jaaaa (Josef Strau, Amelie von Wulfen, Ariane Müller, Alice Creischer, Andreas Siekmann) gründete sich 1996 in Berlin zur Produktion von Knetgummi-Animationen.

Gruppe Gummi K (Alice Creischer, Martin Ebner, Christoph Keller, Ariane Müller, Andreas Siekmann, Nicolas Siepen, Josef Strau, Klaus Weber, Amelie von Wulffen) ging 1997 aus der Gruppe Jaaaa hervor und setzte die Arbeit an Video-Animationen mit Kentgummi fort.

Josef Kramhöller (1968-2000) war Künstler und Autor. Er studierte Malerei an der Akademie der Bildenden Künste München und am Chelsea College of Art and Design in London. Er arbeitete mit Performance, Fotografie, Malerei, Zeichnung und verfasste Texte.

NEID war ein queer-feministisches Magazin, das 1992 von Hans-Christian Dany, Claudia Reinhardt, Heiko Wichmann und Ina Wudtke an der Kunsthochschule für Bildende Künste Hamburg gegründet und von 1995-2004 von Ina Wudtke herausgegeben wurde.

MicroStudio surplus war der Name für ein temporäres Studio in der Burgstrasse in Berlin, bezeichnet keine feste Konstellation an Beteiligten.

Annette Wehrmann (1961-2010) war Künstlerin und Autorin. Sie studierte freie Kunst in Hamburg an der Hochschule für Bildende Künste und in Frankfurt an der Städelschule. Ihr Interesse galt dem städtischen Raum sowie Formen der Selbstorganisation.

Ina Wudtke, geboren 1968, ist Konzeptkünstlerin und lebt in Berlin. 2018 erschien ihr Buch The Fine Art of Living über ihre künstlerischen Arbeiten gegen Gentrifizierung (Berlin, Archive Books).

Amelie von Wulffen, geboren 1966, studierte an der Akademie der Bildende Künste München. Sie arbeitet mit Malerei, Collage, Zeichnung und Installation. Sie war auf der 50sten Biennale Venedig und der Manifesta 5 vertreten und lebt in Berlin.

Gefördert von:

after the butcher bedankt sich herzlich bei der Kienzle Art Foundation für die freundliche Leihgabe der Fotoarbeiten von Josef Kramhöller

atb #81 | Invisibility Chronicles, Part One / Dubai Gold, Coir Kerala

Michael Baers & Sophie-Therese Trenka-Dalton


Invisibility Chronicles, Part One / Michael Baers
Dubai Gold, Coir Kerala / Sophie-Therese Trenka-Dalton

Ausstellung: 9. Oktober bis 8. November 2020

Geöffnet nach Vereinbarung: ina@after-the-butcher.de oder 01783298106. In den Ausstellungsräumen bitte eine Behelfsmaske tragen.
Am 11. Oktober 2020 um 16 Uhr laden wir zum Künstler*innengespräch ein. Die Veranstaltung findet im Hof statt, Anmeldung erforderlich unter: ina@after-the-butcher.de

Invisibility Chronicles, Part One

Warum werden manche Konflikte, Situationen oder Ereignisse in der westlichen Zivilgesellschaft bekannt, während andere im Dunkeln bleiben? Wie organisieren die Massenmedien unser Verständnis der heutigen Welt? Welche sozialen und kulturellen Konsequenzen ergeben sich, wenn Geschichten von internationaler Relevanz aus der hegemonialen Welterzählung der Medien herausfallen? Welchen Vorteil haben mächtige Nationalstaaten, wenn sie die Sichtbarkeit einiger Geschichten erhöhen, während andere in die Zone der Unsichtbarkeit verbannt werden? Was in den medialen Diskurs einfließt und wie er gerahmt wird, unterliegt einer komplexen Reihe von Mechanismen, die zum Teil durch die geopolitischen Interessen mächtiger Nationen diktiert werden. Ausgehend von früheren Forschungen über den ungelösten Konflikt in der Westsahara untersucht Invisibility Chronicles, Part One diese Mechanismen und konzentriert sich dabei auf eine aktuelle Situation, in der die internationalen Nachrichtenzyklen der Massenmedien eine Geschichte mit tiefgreifenden ökologischen Auswirkungen unsichtbar gemacht haben: die fortlaufende Saga von FSO Safer. Dieses schwimmende Lagerungs- und Entladungsschiff, das sich früher im Besitz der staatlichen jemenitischen Ölgesellschaft befand und seit 2015 von den Houthi-Rebellen besetzt ist, liegt zurzeit vor der jemenitischen Küste wo es gestrandet ist. Seine Ladung von 1,1 Millionen Barrel Öl ist in unmittelbarer Gefahr, entweder auszulaufen oder zu explodieren – und bedroht das Rote Meer mit einer Umweltkatastrophe, die die Menschen und die Umwelt der Region für Generationen in Mitleidenschaft ziehen könnte. Michael Baers‘ Untersuchung der FSO Safer-Geschichte hat die Form eines grafischen Essays, in dem er darlegt, wie die Behandlung der Geschichte durch die Massenmedien die vorherrschende Sichtweise des Konflikts verstärkt und sie dann dorthin kommt, wo ehemals dringliche Nachrichtenmeldungen hingehen, wenn sie aufhören „Nachrichten“ zu sein. Dabei zwingt er den Betrachter, in den Worten von Avery Gordon, „diese traurige und versunkene Couch zu besetzen, die genau an jenem Ort versinkt, an dem eine unerinnerbare Vergangenheit und eine unvorstellbare Zukunft uns Tag für Tag zum Sitzen zwingen“. Dieses Werk wurde in einer limitierten Auflage produziert, die der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung steht.

Dubai Gold, Coir Kerala

Mit der Installation Dubai Gold, Coir Kerala präsentiert Sophie-Therese Trenka-Dalton drei aktuelle Videoarbeiten, die zwischen 2017 und 2019 im südindischen Bundesstaat Kerala entstanden sind.

Die zwei Videos Dubai Ports World Kochi (2018) und Dubai Gold and Diamonds (2018) thematisieren die Verbindung zwischen Kerala und den Vereinigten Arabischen Emiraten und bilden die Fortsetzung des Langzeitprojekts Dubayyland (2009-2015). Über ihre Reisen in die VAE erfuhr die Künstlerin von dem speziellen Bezug zwischen den zwei Regionen. Seit den 1970ern sind die Emirate und andere Golfstaaten ein zentrales Ziel für Arbeitsmigration aus Kerala. Der jahrzehntelange Austausch prägt mittlerweile sowohl die persönlichen Biographien als auch die wirtschaftliche Struktur von Kerala. Die Videos zeigen Orte, die auf diese Verbindung verweisen, wie der Containerhafen von Kochi, der von der emiratischen Firma Dubai Ports World betrieben wird oder die zahlreichen Ladengeschäfte und Werbeplakate, die nach Städten in den Emiraten benannt sind und mit ikonischen Motiven wie den Burj Khalifa werben.

Die Videoarbeit Coir Kerala (2019) dokumentiert die lokale Verarbeitung von Kokosfaser (Coir) in dörflichen Kleinbetrieben. Coir-Matten sind ein wichtiges Regionalprodukt des tropischen Kerala und werden sowohl im häuslichen Gebrauch wie auch als Geotextilien zur Landbefestigung eingesetzt. Die Kleinbetriebe sind gewerkschaftlich in Kooperativen organisiert. Hier arbeiten zum größten Teil Frauen, die damit neben der Haushaltsversorgung etwas Geld verdienen. Allerdings fehlt dem Coir-Handwerk aufgrund der niedrigen Löhne der Nachwuchs. In den letzten Jahrzehnten wurden durch gewerkschaftliche Organisation zwar Verbesserungen der Arbeitsbedingungen erreicht, gleichzeitig wird der Coir-Sektor aber nicht ausreichend modernisiert, da dies den Verlust lokaler Arbeitsplätzen bedeuten würde und Folgen für das ökonomische Gleichgewicht der dörflichen Lebensstrukturen in Kerala hätte.

Die Videoarbeiten wurden mit Unterstützung des Goethe-Instituts / Max Mueller Bhavan Bangalore und der Kochi Biennale Foundation realisiert.

Michael Baers

(* 1968) ist ein in Berlin lebender amerikanischer Künstler und Schriftsteller, der seine künstlerische Arbeit in Deutschland und im Ausland ausgestellt hat, unter anderem im Haus der Kulturen der Welt, im Museum Angewandte Kunst Frankfurt am Main, im Van Abbemuseum und im Künstlerhaus Halle für Kunst & Medien Graz. Seinen Doktortitel erhielt er 2014 von der Akademie der Bildenden Künste Wien aus deren engagierter künstlerischer Forschungsabteilung. Seit 2010 konzentriert sich ein Großteil seiner Arbeit auf die kulturellen Folgen der Konfliktbewältigung im Nahen Osten und Afrika. Im Jahr 2014 veröffentlichte er einen längeren Graphic Novel/Dokumentarfilm, Eine mündliche Geschichte Picassos in Palästina, über das Picasso in Palästina-Projekt 2011 online mit dem Haus der Kulturen der Welt. Er erschien 2016 in Buchform im adocs verlag (Hamburg). Er hat auch viele Essays über zeitgenössische Kunst und künstlerischer Forschung, Kulturpolitik und Urbanismus veröffentlicht und zu einer Vielzahl von Buch- und Publikationsprojekten und international anerkannten Zeitschriften wie der Zeitschrift e-flux, Vector – critical research in context und Memory Studies beigetragen. Gegenwärtig ist er Affilierter Wissenschaftler am Leibniz Zentrum Moderner Orient (ZMO) in Berlin.

Sophie-Therese Trenka-Dalton

(*1979 Berlin) arbeitet mit Installation, Fotografie und Video. In längerfristigen Projekten untersucht sie kulturelle Aneignungsprozesse, die im Zuge der Implosion, Verschiebung und Neuformierung von Machtzentren entstehen.

2016 veröffentlichte sie ihren erste Katalog „PALMS“ (Textem Verlag), der Arbeiten zur Rezeption des antiken Mesopotamien, der jüngeren Geschichte des Irak und über Architektur in den Vereinigten Arabischen Emirate zusammenfasst. 2017 folgten Reisen nach Südindien, um den Bezug zwischen Kerala und den Golfstaaten nachzuvollziehen. Aktuell arbeitet die Künstlerin an der Umsetzung der Veranstaltungsreihe „The Sky was the Limit – Kunst und Astronomie in der Archenhold-Sternwarte“, die im Sommer 2021 stattfindet.

Einzel- und Gruppenausstellungen (Auszug):  Kochi Biennale Foundation, Kochi, Indien (2018), Hamburger Bahnhof, Berlin (2018), Neuer Berliner Kunstverein (2017 & 2006), Alserkal Avenue, Dubai (2017), KW Institute for Contemporary Art, Berlin (2015), Heidelberger Kunstverein (2014), Kunstraum Michael Barthel, Leipzig (2012), Serpentine Gallery, London (2011), Klaus von Nichtssagend Gallery, New York (2011), DEPO, Istanbul (2010), TÄT, Berlin (2009), Nice and Fit Gallery, Berlin (2008), Foundation d`Enterprise Ricard, Paris (2008), HarrisLieberman Gallery, New York (2008), Institut im Glaspavillon der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz (2007).

gefördert durch:

Hier findest Du eine Ausstellungsbesprechung von Norman Saadi Nikro, Research Fellow am Leibniz-Zentrum Moderner Orient
Berlin:

http://tohumagazine.com/article/invisibility-bomb-ship-michael-baers%E2%80%99s-invisibility-chronicles-part-one

atb #80 | Killing Me Softly / Passive Bewaffung

Claudia Reinhardt & Cornelia Herfurtner

Ausstellung: 5. September bis 4. Oktober 2020

Aufgrund der aktuellen Situation findet keine Eröffnung statt. Wir laden ein, die Ausstellung in Anwesenheit der Künstlerinnen zu besuchen:
4. September von 18 – 22 Uhr und 12., 19., 26. September und 3. Oktober, jeweils von 15 – 18 Uhr.

Sonntag 4. Oktober Finissage 15-20 Uhr, 3D-Filmvorführung um 18 Uhr von Flipping the Stationary Car, 2018 von Cornelia Herfurtner, David Iselin-Ricketts, John Allan MacLean (45min). Anmeldung erforderlich unter after-the-butcher bis spätestens Sonntag 4. Oktober 11 Uhr vormittags. Bitte Behelfsmaske mitbringen und Abstandsregeln beachten.

Passive Bewaffnung

Rein rechtlich begehen wir derzeit bei jeder organisierten Menschenansammlung eine gesetzliche Straftat. Dank Covid-19 ist ganz Deutschland passiv bewaffnet, trägt Masken und Plastikschutzschirme vor dem Gesicht, ja hat sogar die Pflicht sich zu vermummen. Was ist passiert?
Nach den 68er Protesten beginnen sich die Menschen in den 1970er Jahren der BRD auf Großdemonstrationen verstärkt zu vermummen, zum Schutze ihres eigenen Persönlichkeitsrechts, denn wer auf die Straße geht und erkannt wird, dem droht die Entlassung in Betrieben oder auch vom Schuldienst. Durch das 1977 eingeführte Antiterrorgesetz gilt: Wer vermummt auf eine Demo geht, rechnet mit Gewalt, provoziert sie. Die „passive Bewaffnung“ ist geboren, Vermummung verboten. Nach Brokdorf und den großen Anti-Atomkraftbewegungen verschärfen sich die Gesetze noch einmal. Passiv bewaffnet ist nun jede*r, die/der sich mit jeglicher Schutzbekleidung oder Objekten ausstattet, die vermuten lassen, dass mit Polizeigewalt gerechnet wird. Selbst wenn das Gegenüber spätestens seit Gründung der GSG 9 Einheit aussieht, als ziehe es bei jeder 1. Mai Demonstration – oder beim G20 Gipfel – in den Krieg gegen die eigenen Bürger*innen.
Und so gilt: Keine Fahrradhelme, keine Taucherbrille, keine verstärkten Handschuhe, bitte kein Zahnschutz und am besten auch sämtliche Schlüssel zu Hause lassen, solltet ihr vorhaben, auf eine Demo zu gehen!
Nun ist das mit dem aktiven Selbstschutz vor dem potentiellen Angriff gerade etwas heikel: Wer vermummt sich jetzt für wen oder gegen was und wer oder was ist denn nun eigentlich „der Feind“? Cornelia Herfurtners gemeißelte Reliefs sind Stilleben einer BRD-Geschichte um Aufstand und repressive Staatsgewalt, deren Fortsetzung mit Sicherheit folgt.

Killing Me Softly

Nirgendwo sein, nirgendwo bleiben. Tauchen, ruhen, sich ohne Aufwand von Kraft bewegen – und eines Tages sich besinnen, wieder auftauchen, durch eine Lichtung gehen […]. Mit dem Anfang beginnen.“ (I. Bachmann, Undine geht)

Der Suizid ist eine Form von Gewalt, aber auch von Freiheit. Zwischen 2000 und 2004 reinszenierte Claudia Reinhardt fotografisch zehn Selbsttötungen bekannter Künstler*innen – Persönlichkeiten, die sie selbst faszinierten und deren Werk und Leben sie in ihrer Arbeit beeinflussten. Als eine Art persönliches Tribut lässt Reinhardt dabei Fiktion und Realität ineinander verschmilzen, recherchierte für jedes Foto sowohl in der Literatur als auch in den Archiven, was genau jene Frauen* dazu getrieben hat, sich aus dem Leben zu verabschieden. Dabei sind die Motive und Methoden sehr unterschiedlich: Es gibt den geplanten und exakt durchgeführten Suizid, etwa bei Sylvia Plath oder Anne Sexton und es gibt die langsame Zerstörung des eigenen Körpers, wie etwa die Tabletten- und Alkoholsucht Ingeborg Bachmanns. Reinhardt wählt dabei eine durch und durch psychologische Annäherung an ihre Vorbilder, indem sie selbst in die Rolle der Sterbenden schlüpft: sie reenacted die zehn Tode, den Moment bis ins Detail ausgestattet und lässt sich dabei fotografieren. Stünde jenes Adjektiv an dieser Stelle nicht in genauer Opposition zum Dargestellten, ließe sich die Szenerie durch ihren filmstillhaften Charakter tatsächlich als „lebendig“ beschreiben. Was veranlasste diese Frauen*, sich dem Leben entgegenzusetzen, zu entziehen? Die möglichen Gründe scheinen dabei leider noch immer nicht aus dieser Welt geräumt: patriarchale, physische Gewalt, faschistische Systeme, fehlende Gleichberechtigung und Anerkennung ihrer Werke, um hier nur einige zu nennen. Ohne den Suizid verherrlichen zu wollen, halten Reinhardts Fotos daher auch einen Moment größter Selbstbestimmung fest.

Aber so kann ich nicht gehen. Drum laßt mich euch noch einmal Gutes nachsagen, damit nicht so geschieden wird. Damit nichts geschieden wird.“ (ebd.)

Nadja Abt, Berlin, 2020

Claudia Reinhardt

(* 1964 in Viernheim/Südhessen) hat an der Hochschule für bildende Künste, Hamburg studiert. Von 2000 – 2012 lehrte sie an der National Art Academie in Bergen, Norwegen als Professorin im Fachbereich Fotografie. Bekannt wurde Reinhardt u.a. durch ihr fotografisches Werk Killing Me Softly – Todesarten (Aviva Verlag, Berlin 2004), einer Fotoserie, die sich mit Künstlerinnen beschäftigt, die sich selbst töteten. Reinhardt inszeniert diese Suizide mit ihr als Model. In der Arbeit No Place Like Home (Verbrecher Verlag, 2005), geht es um die Bedeutung von Herkunft und Identität. Die Arbeit Tomb of Love (Verbrecher Verlag, 2016) setzt sich noch einmal mit dem Thema Suizid auseinander und inszeniert Paare, die sich gemeinsam das Leben nahmen. Um Trauer und Erinnerung handelt die Arbeit Witwen/Widows, eine dokumentarisch – konzeptionelle Fotoarbeit, die 2020 bei The Green Box, Berlin publiziert wird.
Ausstellungen: Haus am Kleistpark, Berlin (2018); Kunstgeschichtliches Museum, Osnabrück (2017); Galerie Malopolski Ogród Sztuki, Krakau (2016); Galerie im Körnerpark, Berlin (2015); Corean Art Museum, Seoul (2015); Galerie F15, Moss, Norwegen (2015); Contemporary Art Museum, Roskilde (2015); Fotogalleriet Format, Malmö (2014); Meta House, Phnom Penh (2011); Kunsthalle Memmingen (2010); IDFX, Breda Photo Festival, Breda (2007); Micro Museum, Zürich (2009); Brooklyn Museum, New York (2004) u.a.

Cornelia Herfurtner

(* 8. Mai 1987) ist Künstlerin und in der Interventionistischen Linken organisiert. Im Bündnis Rheinmetall entwaffnen arbeitet sie gegen Waffenproduktion und Waffenexporte und Deutschlands größten Waffenproduzenten Rheinmetall. Als Künstlerin arbeitet sie unter ihrem bürgerlichen Namen als auch mit der Künstler_innengruppe ‘Michelle Volta’ und dem Verlag und Buchladen b_books. Zu ihren letzten Projekten gehören eine Serie von Fotos unter dem Titel ‚freedom and control of others (including myself)‘ (veröffentlicht in starship #19) und das kollektiv unterrichtete Seminar ‘Selbstorganisation und Hochschule’ (gemeinsam mit Ernest Ah and Anastasio Mandel, Universität der Künste Berlin). Ihr Video-Essay ‚Frauen verlassen das Museum’ (in Zusammenarbeit mit David Polzin) ist noch bis Januar 2021 im Mitte Museum in Berlin-Wedding zu sehen.

Mit freundlicher Unterstützung:

atb #79 | KAUE KAUE

Julia Oschatz & Sonja Hornung

Ausstellung: 31. Juli – 30. August 2020

Aufgrund der aktuellen Situation findet keine Eröffnung statt. Wir laden ein, die Ausstellung in Anwesenheit der Künstlerinnen zu besuchen:
31. Juli von 18 – 22 Uhr und 2. August von 15 – 18 Uhr,
Anmeldung erforderlich unter after-the-butcher
Auch individuelle Besuchstermine sind unter dieser Email zu vereinbaren.

SIE WOLLTEN SICH BEWEGEN / SIE STELLTEN FEST, DASS SIE SICH NICHT BEWEGEN KONNTEN / ODER VIELMEHR, DASS EINE BEWEGUNG NUR IN / DIE VORBESTIMMTE RICHTUNG MÖGLICH WAR, DURCH RÄUME, DIE BEREITS SO GEFORMT WAREN, DASS SIE IHRE BEWEGUNG AUFNEHMEN KONNTEN / MIT DER ERFORDERLICHEN GESCHWINDIGKEIT, IN DER ERFORDERLICHEN WEISE / SO UND NICHT SO; / HIER UND NICHT DORT USW. / SO GAB ES IN DER TAT KEINE WIRKLICHE BEWEGUNG, NUR WIEDERHOLUNG, VIELLEICHT LEICHTE VARIATIONEN, INNERHALB DER GEGEBENEN STRUKTUR. / UND IN DIESEM SINNE GAB ES KEINE WIRKLICHE BEWEGUNG, NUR WIEDERHOLUNG, VIELLEICHT LEICHTE VARIATIONEN, IN DER VORGEGEBENEN STRUKTUR.

Julia Oschatz‘ Arbeit Unter Tagen ist eine für after the butcher entwickelte Videoinstallation, die sowohl die tägliche Beeinflussung des Raumes auf menschliche Bewegung und Handlung thematisiert, als auch den Versuch, daran etwas zu ändern.

Sonja Hornung produzierte Sperre III als Teil einer Serie, die von der Suche Varvara Stepanovas (1894-1958) nach einer „Uni-Form“ ausgeht, die die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung aufheben würde. Jede Version von Sperre besteht aus einem einzelnen Kleidungsstück, das aus einem spezifischen städtischen Kontext oder einer Krise heraus entstanden ist sowie aus Texten, die in Aquarellzeichnungen komprimiert sind. Sperre III reflektiert Finanzwirtschaft und ihre ‚kollateralen‘ Auswirkungen auf städtische Räume und spezifisch weibliche Körper.

Julia Oschatz, geb. Darmstadt 1970, lebt in Berlin und Sandau an der Elbe. Neben zahlreichen Ausstellungen ihrer Videos, Zeichnungen, Malereien und Installationen, zuletzt in der Artbox Dresden, im Kunstverein Hannover; im Kupferstichkabinett, Berlin macht sie auch Bühnenbilder, derzeit für Hamlet am Maxim Gorki Theater, Berlin.

Sonja Hornung, geb. Birrarunga/Melbourne 1987, lebt seit 2012 in Berlin. Ihre Installationen, Performance, Zeichnungen, und Kollaborationen – u.a. mit COPS (Corporation of People’s Situations) und Kollektiv x-embassy – wurden z.B. im Haus der Kulturen der Welt, bei District Berlin, und im Forum Stadtpark (Graz) gezeigt. Aktuell ist sie Artist-in-Residence des Q21/MQ Wien.

Mit freundlicher Unterstützung von:

atb #78 | exemplarische kämpfe

Martin Haufe
Minze Tummescheit und Arne Hector (cinéma copains)

Ausstellung: 29. Mai – 10. Juli 2020

Aufgrund der aktuellen Situation findet keine Eröffnung statt. Wir laden ein, die Ausstellung in Anwesenheit der Künstler*innen zu besuchen:
Sa 6. Juni / So 7. Juni / So 14. Juni / Fr 19. Juni / So 21. Juni, jeweils von 15 – 18 Uhr,
Anmeldung erforderlich unter ina@after-the-butcher.de Auch individuelle Besuchstermine sind unter dieser Email zu vereinbaren.

Seit 2014 arbeitet Martin Haufe intensiv zum Thema „Freundschaft“. Innerhalb von Freundschaften lernen wir „moralisch richtiges“ Handeln, gleichzeitig beeinflussen die kapitalistischen Lebensverhältnisse die Ausgestaltung unserer Beziehungen. In Martin Haufes andauernden Recherche spielen daher Fragen um das Verhältnis und die Potentiale von Kritik und Freundschaft eine zentrale Rolle. Aus seiner Auseinandersetzung sind u.a. diverse textile Arbeiten für die Ausstellung exemplarische Kämpfe entstanden.

Die 6-teilige Interviewkette „in arbeit“ (2008-2018) vonMinze Tummescheit und Arne Hector (cinéma copains) ist eine filmische Untersuchung zu Bedingungen, Möglichkeiten und Grenzen kollektiven Handelns. Dabei wird der kommunikative Prozess der Recherche zum Inhalt des Films. Eine Reihe von Kollektiven wird miteinander in Verbindung gesetzt, indem Mitglieder einer Gruppe zusammen  mit  cinéma copains reisten und das Gespräch mit dem jeweils nächsten Kollektiv gemeinsam führten. So ist eine Interviewkette entstanden, die ein Bild kooperativer Praxis in verschiedenen Ländern Europas zeichnet. In der Ausstellung exemplarische Kämpfe sind Ausschnitte der insgesamt 285 Minuten langen Serie zu sehen.

Martin Haufe
 (*1986 Großröhrsdorf) studierte Medienkunst an der HGB Leipzig, der Royal Danish Academy of Fine Arts und der MLU Halle (Saale) im Fachbereich Psychologie. Er erhielt ein Studienstipendium der Rosa-Luxemburg-Stiftung, aktuell ist er Meisterschüler bei Joachim Blank. Martin Haufe verbrachte mehrere Arbeits- & Rechercheaufenthalte in Vietnam und wurde 2019 für ein Aufenthaltsstipendium der KdFS ausgewählt. Neben der Praxis als Solo-Künstler engagiert er sich in verschiedenen Erinnerungskulturellen Projekten und ist als künstlerischer Bildner tätig.

cinéma copains
Seit 2000 arbeiten Arne Hector und Minze Tummescheit als cinéma copains in Ko- operation mit copines und copains aus aller Welt. Sie interessieren sich für ökonomische Themen, die sie immer auch als politische und gesellschaftliche Fragen verstehen. Ihre dokumentarischen Arbeiten, die Vorträge, Performances, Installationen und künstlerische Dokumentarfilme einschließen, basieren auf Langzeitprojekten. An der Schnittstelle von Dokumentarfilm und Kunst, mit einer sichtbaren politischen Haltung, suchen sie nach Form für Inhalt.

after the butcher – Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst und soziale Fragen
Spittastr. 25
10317 Berlin
www.after-the-butcher.de

Telefon +49 (0) 1783298106
ina@after-the-butcher.de

Mit freundlicher Unterstützung von:

atb #77 | Pourparler

Ines Lechleitner, Hans-Jörg Mayer

Ausstellung verlängert: 7. März – 17. Mai 2020

Sie ist Eine, die Obst und Gemüse fermentiert, fotografiert und auf Video festhält. Er ist Einer, der zeichnet und malt und in Formen gießt.
Sie findet Kulissen und Landschaften. Er weiße Leinwände und blaue Bohnen. Sie bildet “Body Gestures“ und starke Frauen ab. Er Frau-Fuchs-Mischwesen oder Aussagen wie „Life is life“ oder „Alles muss man selber machen“.
Sie geht ans Eingemachte und fängt das Rheinrauschen in einem „Flussglas“ ein. Er bringt eine sich drehende Discokugel mit dem Pinsel zum Stillstand. Sie bringt “Scales“ auf Papier-Maché. Er dafür Hasen auf Samt. Sie lotet die „Grenzen der Musik“ aus. Er frickelt an den Rändern der Kunstgeschichte.
Sie arbeitet ortsspezifisch. Er so gut wie nie.
Und dann treffen sie sich doch. Und reden. Und dann beschließen sie über ihrer Kunst, zusam- men Kunst zu machen. Pourparler.
Und während sie so reden über Zitronen und Zwiebeln und Zwetschgen kommt etwas dazwischen, zwischen sie. Es fängt an zu zischen und ist da: das Dazwischen, das Zwischenmenschliche, und zwitschert was von Zwischenräumen. In Zwischentönen. Und das macht beide neugierig.
Für sie ist es, als würde sie auf dem Markt Zutaten auswählen. Da liegen seine neben ihren, und sie greift beherzt zu. Ganz intuitiv. Er sammelt hektisch. Denkt an Mousse, weniger an Muße. After the butcher tragen sie ihre Zutaten hin. Rezeptlos.
Es bleibt ein Spiel und an der Oberfläche, als sie sich zusammenwürfeln, alles in Würfel teilen und in der alten Fleischerei verwurschteln. Das Werk des anderen wird zum eigenen. Und Teile davon ergeben ein neues Ganzes. Gespannt liegen sie auf der Lauer und beobachten das. Sie lassen die Zutaten machen. Ohne zu hinterfragen, was da (vor sich) geht.
Aber drüber reden kann man ja mal. Pourparler. Reden im Schwebezustand.
Sie ist Ines Lechleitner und er ist Hans-Jörg Mayer.
Ihre gemeinsame Ausstellung läuft vom 7. März bis Mai 2020.
Text von Nele Meissner

Ines Lechleitner (*1978 in Wien) lebt in Berlin. Als interdisziplinär arbeitende Künstlerin, Fotografin und Köchin verbindet sie in ihren Installationen, Performances und Künstlerbüchern Medien wie Fotografie, Zeichnung, Skulptur, Ton, Film, Kochen und Duft. Sie recherchiert zur nonverbalen Kommunikation und entwirft Situationen des Dialogs mit KünstlerInnen und WissenschaftlerInnen. Sie war Forschende an der Jan Van Eyck Academie in Maastricht, studierte am Ecole Supérieure des Beaux-Arts in Paris, am NSCAD-College for Art and Design in Halifax sowie am San Francisco Art Institute. www.ineslechleitner.com

Hans-Jörg Mayer (* 1955 in Singen) lebt in Berlin. Hans-Jörg Mayer wird vertreten von den Galerien Nagel Draxler, Berlin / Köln, Christine Mayer, München, der Gabi Senn Galerie, Wien, von Samuelis Baumgarte, Bielefeld, und M. LeBlanc, Chicago. Arbeiten befinden sich u.a. im Besitz des Museums Ludwig in Köln und des mumok in Wien, der Sammlung Grässlin in St. Georgen, der Sammlung Brandhorst in München, der Pat and Juan Vergez Collection in Buenos Aires.

Mit freundlicher Unterstützung der:

atb #76 | Stoff

Judith Raum, Ulu Braun

Finissage & Künstler*innengespräch: Sonntag 8. Dezember 17-20 Uhr

Geschichtszeichnung
Ein Gespräch zwischen Judith Raum und Ines Schaber.

In künstlerischen Rechercheprozessen und bei der Arbeit mit Archivmaterial entstehen immer wieder Fragen nach der Annäherung an oder Abgrenzung von wissenschaftlichen Arbeitsweisen und nach der künstlerischen Form der Verarbeitung, wobei das Verhältnis zwischen Detailgenauigkeit und Fiktionalisierung nur eine der Skalen ist, auf denen es sich zu positionieren gilt.
Judith Raum hat als Künstlerin mehrere Jahre zur Textilwerkstatt des Bauhauses geforscht und daraus Lecture Performances und Installationen entwickelt, wie etwa die bei After the Butcher gezeigte Arbeit Gittertülle, in der es um die am Bauhaus entworfenen Vorhangstoffe von 1933 geht, dem letzten Jahr der Institution und dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft.
Bei after the butcher setzen Ines Schaber (Künstlerin und Autorin, Berlin/Los Angeles) und Judith Raum ein Gespräch fort, das sie seit einiger Zeit über die künstlerische Auseinandersetzung mit historischem Material und die dabei entstehende Spannung zwischen Dokumentation, Narration und Abstraktion führen.
Das Gespräch beginnt um 18.00 Uhr. 
Mit Glühwein & Gebäck…

Judith Raum, Ulu Braun
Eröffnung: Freitag 18. Oktober 2019, ab 19 Uhr
Ausstellung: 19. Oktober-8. Dezember 2019

Im Frühjahr 1933, kurz vor seiner Schließung, brachte das Bauhaus Berlin eine letzte Kollektion gewebter Vorhangstoffe heraus. Die Gestalterinnen Lilly Reich und Otti Berger hatten die Entwicklung der Kollektion betreut. Die Installation Gittertüll von Judith Raum rückt einen Stofftyp der Kollektion ins Zentrum der Betrachtung: Hochlichtdurchlässige Fensternetze, sogenannte Gittertülle, damals noch an vielen Orten im Deutschen Reich hergestellt, heute hier ausgestorben. Otti Berger und Lilly Reich verfolgten mit ihrer gestalterischen Arbeit durchaus unterschiedliche Agenden, entsprechend war ihre Zusammenarbeit konflikthaft. Die Gittertülle lebten in den Jahren nach dem Bauhaus im Werk beider Gestalterinnen auf unterschiedliche Art weiter. Die Videoarbeit innerhalb der Installation geht der Frage nach, wie und ob sich Reichs und Bergers unterschiedliche Interpretation der Fensternetze mit ihrer politischen Haltung in Nazideutschland zusammenbringen lassen.
Die Videokollage Cave TV von Ulu Braun ist eine Videoinstallation, die eine Projektion auf einer reliefähnlichen Oberfläche zeigt. Die Installation rekonstruiert eine soziale Situation vergleichbar mit einem Lagerfeuer oder einem Fernsehgerät. Die kollagierten Bilder des Videos referieren auf Genres, Epochen und Stile der Mediengeschichte. Medienfragmente wiederhallen und meandern auf der Videoskulptur und hypnotisieren ihr Publikum durch lebendige, fließende Projektionen und Formen. Ein archaisches Ritual das die (Erd-)anziehungskraft von Licht und Dunkelheit hinterfragt. “It is like a primal campfire that draws the viewer into contemplation on existence within his medial representation.” (David L.)

Judith Raum (1977, Deutschland), studierte Freie Kunst an der Städelschule in Frankfurt/M. und der Cooper Union NYC sowie Philosophie, Psychoanalyse und Kunstgeschichte an der Goethe-Universität Frankfurt/M. In ihren Installationen und Performances verbinden sich materialbasierte Prozesse und traditionelle künstlerische Medien wie Malerei, Zeichnung und Objekt mit thematischen Feldern, meist in Archiven recherchiert, aus Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Neben dem deutschen Wirtschaftskolonialismus im Osmanischen Reich war in den letzten Jahren oft das textile Medium und seine geschichtlichen Verflechtungen, die ihm inhärenten Verfahrensweisen und seine spezifische Materialität Thema ihrer Arbeit. Seit 2016 recherchiert sie zu den Gebrauchsstoffen der Textilwerkstatt am Bauhaus.

Ulu Braun (1976, Deutschland) lebt und arbeitet in Berlin. Zwischen 1996 – 2005 studierte er Malerei und Experimentalfilm an der Universität für angewandte Kunst in Wien, der Universität der Künste Helsinki und der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf in Potsdam. Seit 1997 verwendet er das Medium Video um das Feld zwischen Bildender Kunst und Autorenkino zu untersuchen. Im Genre der Videokollage und der Übertragung von Malerei zu Video spielt er eine Schlüsselrolle.

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